A U F S A T Z
ÜBER
DIE GRUND-SÄTZE DER MIRANDOLANISCHEN KUNST
Zuerst
stellt sich die dringende Frage:
WORÜBER WERDEN WIR UNS JETZT EINIGEN, ÜBER WELCHE GRAMMATIK
DIE FÜR UNS EINE UND DIE SELBE BEDEUTUNG DER WÖRTER
SICHERN WIRD, DEN SELBEN SINN?
Diese Frage können wir – SIE UND ICH, bzw. kunstinteressiertes
Publikum und Künstler– nicht unbeantwortet lassen.
Sollen wir vielleicht versuchen sie mit einer anderen Frage zu
beantworten? Oder mit einer Reihe von Fragen:
Kann man ein Werk verstehen ohne auf hinweisende Definitionen
Bezug zu nehmen?
Darf man Regeln aufstellen die den Gebrauch eines Werkes regulieren?
Sollte man ein Werk der bildenden Kunst mit einer sprachlichen
Aussage vergleichen?
Ich
versuche auch eine andere, metaphorische, Antwort zu geben:
MIRANDOLA war der/die/das Schlüssel-Begriff/Vision/Wort zur
Kunst meines MEISTERS
Realistisch betrachtet ist das der Name einer Stadt in Italien,
in der Po-ebene, der Geburtsort des Humanisten Giovanni Pico della
Mirandola. Er betrachtete es aber SYMBOLISCH, als eine Welt die
von SAPIENZA POETICA-dichterische Weißheit „erschaffen
worden sein wird“. Der Künstler in seiner Auffassung
war ein Archäologe der TERRA INCOGNITA. Er betrachtete sich
als mirandolanischer Künstler, also SISNAV. Suchen Sie aber
dieses Wort nicht, Sie werden es in keinem Lexikon finden. Es
ist ein erfundenes Wort. Über Mirandola gibt es keine Lexika.
Ich glaube dass SISNAV soviel wie Begleiter bedeutet, einer, der
die anderen zum Träumen oder zum EIN-BILDEN bringt, einer,
der das Gesetz der Einbahnstraße verletzt; einer der zurückkehrt.
Ich konnte die genaue Bedeutung davon nie erfahren. Er war „der
Pilger zum Brongsiwan“ – ein anderer Name für
Mirandola.
Als es noch weiße Flecken auf unseren Weltkarten gab, befand
sich Mirandola – laut seiner individuellen Mythologie –
im Pazifischen Ozean, weswegen er sie auch pazifische Atlantida
nannte. Dann verschwand sie allmählich, endgültig irgendwann
um das Jahr 1714. Ihr heutiger Platz ist unmöglich –
in horizontaler Suche – zu bestimmen.
Der Meister hat sein ganzes Leben und Werk dem PRINZEN VON MIRANDOLA
gewidmet. Es war eine Art SPIEL, oder RITUAL, vielleicht sogar
MAGIE. Seine künstlerischen Experimente sind vielmehr die
der Alchemie, und nicht jene der heutigen, sogenannten Naturwissenschaften
gewesen. So eine Kunst kennt keine Produktions-, und Erfolgsbestrebungen,
nur seelische und geistige Ideale. Diese waren für ihn:
die REISE NACH BRONGSIWAN,
die Vervollkommnung durch das Erleben des Labyrinthes,
die Begegnung mit Sich Selber
um die Vision zu ermöglichen:
Die VISION vom GOLDENEN EI.
Ich
drücke mich in einer poetisch-sinnbildlichen Form aus. Nun
will ich nicht zu den schlagfertigen gehören die auf die
Frage nach der Bedeutung ihrer Aussage so antworten: Sie bedeuten
genau das, was wir gesagt haben! Nein, ich will mit Ihnen die
Bedeutungen ausplaudern. Ich habe sozusagen Zeit, ich nehme mir
Zeit dafür.
Man kann hier die Frage nach dem, was die Kunst ist, nicht umgehen.
Ich bin weit entfernt zu denken und zu glauben, dass alles Kunst
ist, oder Kunst sein könnte. Nein, so nicht. Es muss eine
Form der Kunstverifikation geben, auch wenn diese momentan von
der allgemeinen Verwirrung komplett verdeckt ist.
Als theoretische Unterstützung habe ich einen bündigen
Aufsatz von Heidegger gefunden.
Zwei Aussagen hebe ich hervor:
Das Werk macht mit Anderem öffentlich bekannt, es offenbart
Anderes, es ist Allegorie. Mit dem angefertigten Ding wird im
Kunstwerk noch etwas Anderes zusammengebracht – zusammenbringen
heißt griechisch symbollein. Das Werk ist Symbol.
Ob die inneren künstlerischen Strukturen irgendwelchen universellen
Prinzipien unterliegen, oder nicht, darüber lässt sich
streiten. Manche halten sich an diesen vermeintlichen Prinzipien
fest, manche dagegen nicht. Ich folge meinem Meister, der die
Kunst in zwei gigantische Kategorien teilte: Kunst der kosmischen
Ordnung und Kunst des Chaos. Letztere war keine Kunst in seinen
Augen.
Aber auch Nietzsches Worte sind wahr: Man muss in sich sehr viel
Chaos haben um einen tanzenden Stern hervorzubringen.
Im folgenden geht es nicht um umfassende und endgültige Erklärungen,
die sowieso nicht sinnvoll sind, es geht lediglich um ein Paar
Grund-(Bindestrich)-Sätze auf denen meine Grammatik gebaut
ist. Ich möchte den Kontext zeigen in dem meine Bilder eine
Bedeutung haben.
Das
Wort MIRANDOLANISCH ist die Bezeichnung für eine Form der
Kunst die man IDEELL – paradigmatisch wäre auch nicht
verfehlt – nennen könnte, eine Form, welche ihre vollkommene
Existenz in der VORSTELLUNG hat.
Ich will die Vorstellung dem begriff REALITÄT nicht entgegensetzen,
weil für viele die Vorstellung, im übertragenen Sinne,
die höchste Realität darstellt, das unveränderliche,
zeitlose Sein. Sie mit der Realität gleichzusetzen geht auch
nicht, weil für andere dagegen Realität die, vom Bewusstsein
bzw. Denken, unabhängige Außenwelt bedeutet.
Ich denke dass jede Vorstellung durch die Materialisierung einer
eindeutigen Degradierung, Abstumpfung ihrer ursprünglichen
Vollkommenheit, bis zur totalen Entstellung ausgesetzt wird. Um
das, soviel wie nur möglich, zu vermeiden geht der Künstler
mit äußerster Sorgfalt und jungfräulicher Art
ans Werk, was besagt dass er, zur gleichen Zeit mit der Materialisierung,
eine Idealisierung seiner Mitteln unternimmt. Das bedeutet extreme
Verfeinerung, in allen Hinsichten, der Form, der Zeichnung, der
Farbe, der Komposition. Er soll alle bis jetzt bekannten Formen
der Kunst in sich integrieren und von diesem verinnerlichten Schatz
zum richtigen Zeitpunkt der Materialisierung schöpfen und
opfern können.
Die Vorstellung, oder IMAGINATION wurde von Paracelsus als INNERES
GESTIRN bezeichnet.
Mit dem Inneren Gestirn geht man genau so um wie mit jeder geistigen
und seelischen Kraft.
Zuerst muss man sich mit der Kraft verbinden – diese ist
die Stufe der PERFECTIO(Vervollkommnung), dann diese Kraft aktivieren
– auf der Stufe der CONTEMPLATIO(Betrachtung), und schließlich
die Kraft integrieren – das ist die Stufe der LIBERTAS(Freiheit).
Das ist die echte Freiheit, der Augenblick, in dem man das INNERE
GESTIRN erreicht hat. Nur aus dieser Freiheit entsteht wahres
Schaffen. Der Rest ist mechanisches Wiederholen, durch welches
– für Geist und Seele unbrauchbarer – Kitsch
produziert wird.
Die zwanghafte Anstrengung um jeden Preis etwas Neues, Unerprobtes,
Ungewöhnliches, hervorzubringen lenkt den Menschen von innen
nach außen woher nur mechanische Nachahmung, in welcher
Form auch immer, erlebt werden kann, aber nie eine echte Bindung
mit der wahren Quelle der Inspiration. In diesem Sinne entsteht
echte Kunst nie aus Anstrengung. Anstrengung erlaubt die Freiheit
nicht.
Eine NATÜRLICHE KUNST entsteht, meiner Ansicht nach, nur
aus dem Inneren Gestirn. Allein diese Kunst hat SEELISCHE QUALITÄT.
Durch
den Kontakt mit dem Inneren Gestirn gewinnt man die Möglichkeit
etwas anderes zu sehen als das, was man gelernt hat zu sehen.
Es ist wie eine Offenbarung, oder Vision.
Um Neues sehen zu können muss man zuerst die Fähigkeit
des „aus sich Heraustretens” entwickeln. Mit einem
griechischen Wort heisst das EXSTASE. Das klingt sehr nach Schamanismus.
Keine Angst, ich will Sie nicht zum Schamanismus bekehren, oder
als Schamane ausbilden, ich möchte lediglich die Möglichkeit
einer Öffnung des Ichs vor Ihre Augen führen.
Wohin tritt man dann eigentlich aus? Die Schwierigkeit des Heraustretens
liegt genau in dieser Frage. Man tritt auf ein unbekanntes Territorium.
Es ist ein Abenteuer. Natürlich sind nicht alle gewillt Abenteuer
zu erleben, oder nicht diese Form von Abenteuer, nicht die Kunst.
So reduziert sich die Zielgruppe erheblich. Das war aber immer
so. Ich will niemandem etwas zumuten, ich handle lediglich nach
dem Prinzip:
WO EIN MENSCH HIN GELANGT IST, KÖNNEN ANDERE IHM FOLGEN.
ICH
SCHLAGE IHNEN DIE REISE VOR.
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